Indien: Varanasi, bye bye India!
- travelbirds
- 21. Aug. 2014
- 5 Min. Lesezeit
Zu allererst möchte ich euch vorwarnen – der letzte Blogeintrag über Indien ist nichts für schwache Nerven: Solltet Ihr leichten Gemütes sein, dann überlegt Euch nochmal, ob ihr das wirklich lesen wollt, denn die folgenden Bilder und auch der Text könnten als unangenehm empfunden werden, da die Fotografien Leichen zeigen und wir die Geschehnisse ausführlich beschreiben.
Nichts desto trotz wollten wir euch unsere Erfahrung nicht vorenthalten aber vorerst ein kurzer Abschweif in das Thema Religion und Hinduismus:
Wie ihr vielleicht wisst, sind in Indien alle Religionen vertreten aber die meisten Leute gehören dem Hinduismus an, sind also Hindus.
Vielleicht habt ihr auch schon von Reinkarnation (Wiedergeburt) und Karma (positive und negative Handlungen) gehört. Die Hindus sehen den Tod und das Leben als einen Kreislauf, den ein Hindu mit dem Karma (Taten) zu durchbrechen versucht. Ziel ist das Brahman-Nirwana, das „eins“ werden mit dem Ewigen und dem Absoluten (vergleichbar mit dem christlichen Glauben an den Himmel).
Die Menschen hier sind fest davon überzeugt, dass man entweder je nach Karma wiedergeboren wird (entweder als Mensch, Tier oder Pflanze) oder wenn man genügend gutes Karma auf der Welt gesammelt hat, die Seele gleich nach dem Tod ins Nirwana geschickt wird und man nicht mehr wiedergeboren wird. Man sagt in Varanasi zu sterben und hier verbrannt zu werden soll dazu führen dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entfliehen.
Zunächst ließen wir das Taj Mahal in Agra hinter uns und machten uns mit dem Nachtzug auf nach Varanasi. Auf dem Weg erzählte uns der Rischka-Fahrer erstmal, dass gestern hier in Varanasi jemand umgebracht worden ist und man demjenigen den Penis abgeschnitten hat. Verstohlen beobachtete ich, wie Nico sich bei dieser Geschichte sofort automatisch in den Schritt griff ;-)
Hmmm, suuppeerr Willkommens-Geschichte...what a nice and warm welcome! ;-) Wir checkten im Hotel ein und chillten erstmal...
Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg, um die berühmten Steinstufen (Ghats) am Ganges zu besichtigen. Netterweise bot sich Raja, ein Mitarbeiter unseres Hotels, an uns Varanasi zu zeigen und uns alles über den Ort zu erzählen. Leider war der Ganges aufgrund des starken Monsun-Regens so stark erhöht, dass wir nur die obersten Stufen sahen, da der Uferabschnitt meterweit unter Wasser stand!


Varanasi ist nicht nur wegen der Karma-Rituale am Ganges bekannt, wo die Menschen täglich im Ganges baden um ihr Karma reinzuwaschen, sondern dient auch als „Todesstätte“ für viele Heilige. Mit Raja gingen wir zu dem Platz wo die Hindu Rituale der Verstorbenen durchgeführt werden. Ich muss sagen, ich war erstmal ziemlich schockiert und als ich Nico sah wusste ich dass er ebenfalls seinen Augen nicht traute!
Raja zeigte auf ein weißes Laken, welches mitten auf der Straße lag und meinte „dead person“. Ich dachte erst ich habe mich verhört und fragte nochmal „This is a dead person?“...Etwas irritiert über die Frage nickte er nur verwundert und meinte „yes, he or she died today“.
Ähhhhhhhhh, da liegt also mitten auf dem dreckigen Weg neben Hunden und Ratten in einem Laken gewickelt ne frische LEICHE?!?! Da ich bis jetzt toi, toi, toi doch relativ wenig Erfahrungen mit Tot oder Leichen gesammelt hatte, war ich doch etwas schockiert nur wenige Zentimeter an einer toten Person vorbeizulaufen. Instinktiv schnupperte ich gleich erstmal in die Luft ob ich den den TOT RIECHEN KONNTE......aber nein: habe nix geschnüffelt....

Während ich noch immer über die Leiche grübelte und überlegte wieso er wohl gestorben ist, kam auch schon der nächste Schock. Wir standen am Ganges als plötzlich ein in bunten Tüchern toter Frauenkörper auf die Spitze eines Bootes gehievt wurde. Nur die Füße lugten heraus und Raja erklärte uns, dass diese Frau heute morgen gestorben sei und sie jetzt in den Ganges geworfen wird, damit ihre Seele ins Nirwana steigen kann und sie hoffentlich nicht wiedergeboren werden muss.
Puhhhh bissle gruselig war’s schon irgendwie als wenige Zentimeter neben mir diese bunt bemalten Füße mit den Zehenringen aus den Tüchern hervorlugten. Nico traute ich mich erst gar nicht anzublicken, dennoch konnte ich mir vage seine Gedanken vorstellen.
Ein paar Meter wurde sie dann mit dem Boot raus gefahren und mit einem Plumps ins Wasser geworfen. Raja meinte, dass sie Steine am Körper hätte damit sie nicht wieder auftaucht und auf dem Grund von den Fischen und anderen Tieren gefressen werden könnte. Hmmmmm lecker....naja wobei: bei uns sinds halt die Würmer dort die Fischlis!

Als nächstes brachte uns Raja auf das Dach eines Hochhauses. Von dort hatten wir eine gute Sicht auf die Verbrennungsstätte.
Raja erklärte uns folgendes über den indischen hinduistischen Glauben nach dem Tot:
Stirbt eine Person, bleibt die Leiche zunächst ca. 7-8h im Haus der Familie und wird dort gewaschen und einbalsamiert. Danach (egal zu welcher Tageszeit) tragen die Männer der Familie den Leichnam auf einer Trage durch die Stadt zu dieser Todesstätte am Ganges.
Die Leiche wird in der Regel immer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, außer es sind Kinder, Schwangere, Tote durch Schlangenbisse, Sadhus (Bettelmönche) oder Leprakranke. Diese werden nicht verbrannt und direkt in den Ganges geworfen, da sie aus Sicht der Hindus schon Gott nah sind und die Seele schon rein ist, sodass diese nicht verbrannt werden müssen. Demnach war also unsere Frau schwanger, weshalb sie nicht verbrannt werden musste.
Nachdem der Leichnam an der Todesstätte eingetroffen ist, schenken die Familienangehörigen und Freunde dem Verstorbenen ein letztes Geschenk, welches meist aus guten Tüchern besteht, in die der Tote gewickelt wird. Danach kauft die Familie das „heilige Feuer“ (Preis variiert je nach Familienstand), dieses ist essentiell, da die Leiche sonst nicht verbrannt werden kann.
Der Tote wird nach dem Kauf des heiligen Feuers auf den Scheiterhaufen gelegt und das nahestehenste männliche Familienmitglied (dieser ist, als Zeichen der Trauer, bis auf eine kleine Stelle am Hinterkopf kahlrasiert) umkreist den Leichnam fünf Runden im Uhrzeigersinn, als Sinnbild für die fünf Elemente, damit diese sich teilen und auflösen. Wasser zu Wasser, Erde zu Erde, Luft zu Luft, etc..
Danach entzündet dieses Familienmitglied das Feuer und der Leichnam fängt an zu brennen. Während der Verbrennung, darf nicht geweint werden, da es die Seele an die Erde binden und halten könnte und diese nicht ins Nirwana steigen kann. Deshalb dürfen keine Frauen bei dieser Zeremonie teilnehmen, da diese meist ihre Emotionen nicht halten können.

bei näherer Betrachtung, kann man die verkohlten Beine und Füße erkennen
Nach ca. 3-4h ist der Tote verbrannt und anschließend wird bei Männern der verkohlte Brustkorb und bei Frauen der Hüftknochen aus der Asche gefischt.
Diesen wirft dann der Angehörige in den Ganges, damit die Seele endgültig ins Nirwana aufsteigen kann und nach drei Tagen wird die Asche ebenfalls in den Ganges gestreut.

der verkohlte Hüftknochen, wird dem Angehörigen übergeben
Man muss verstehen, dass es anders als bei uns, die Hindus den Tot nicht als schlimm oder sehr traurig ansehen. Der Tod bedeutet hier Befreiung und den Übergang von einer alten weltlichen Existenz in das höchst Göttliche und es ist nicht schlimm wenn jemand stirbt! Dennoch...der Verlust eines geliebten Menschen berührt einfach das Herz!
Nachdem uns Raja all dies ausführlich erklärt hatte, verfolgten wir noch einige Minuten das ganze geschehen und machten uns dann zurück auf den Weg ins Hotel.
In Varanasi blieben wir noch einen Tag und besuchten ein paar der vielen Hindu-Tempel und ließen uns segnen.

Danach machten wir uns mit Sack und Pack auf den Weg nach Nepal. HALT! Nicht ganz: Mein lieber Nico Schatz, stellte fest, dass er seine Sneakers auf der Hinfahrt im Zug vergessen hatte und muss nun ausschließlich mit FlipFlops durch die Gegend schlurfen und nun ist ER wohl endlich mal an der Reihe shoppen zu gehen ;-)
Ich hoffe wir haben euch mit unserem Blogeintrag nicht zu sehr geschockt und der nächste Blog wird hoffentlich wieder etwas lebensfroher ;-)
Bis bald,
Eure Travelbirds!
By Caro
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